Alexander Zickler während des Interviews.

Sesko. Spitznamen. Standards. Sachsen. Alex Zickler im Interview

RBL Co-Trainer Alexander Zickler im Interview | "Zico" über RBL-Neuzugang Benjamin Sesko, den "fallenden" Thomas Müller, seine Rolle bei RB Leipzig und vieles mehr | Hier gibt es das ganze Gespräch

Alex, Du bist jetzt ein dreiviertel Jahr hier in Leipzig, wie gefällt es dir bei RBL und in der Stadt?

Ich bin in Dresden groß geworden, dementsprechend kenne ich Leipzig schon seit meiner Kindheit. Aber natürlich hat sich hier in den letzten Jahren viel getan. Leipzig ist eine wunderschöne Stadt, hier kann man sich richtig wohlfühlen.

Genauso geht es mir bei RBL. Der Klub ist sehr professionell, aber auch sehr familiär geführt. Es ist ein toller Verein mit sehr herzlichen Menschen. Wir wurden als Trainerteam super aufgenommen. Es ist uns leichtgefallen, hier anzukommen. Das war auch sehr wichtig, denn so viel Zeit hatten wir nicht, nachdem wir mitten in der Saison übernommen haben.

Die Philosophie und die Ziele des Klubs decken sich mit meinen eigenen. Wir dürfen hier mit einem sehr starken Kader zusammenarbeiten. Das macht als Trainer großen Spaß.
 

Sachsen ist meine Heimat - auch, wenn man es mir nicht mehr so ganz anhört.
Alexander Zickler

Mit Marco Rose als gebürtigen Leipziger, Marco Kurth, der aus der Lutherstadt Eisleben kommt und dir als gebürtigen Thüringer haben wir ein Trainerteam aus der Region. Dich hat es aber bereits in jungen Jahren in den Süden gezogen. Erst zum FC Bayern, dann nach Salzburg und Linz. Wo liegt deine Heimat?

Das ist eine spannende Frage. Ich bin zwar in Thüringen geboren, mit zwei Jahren aber nach Dresden gezogen. Dort habe ich auch meine Jugend verbracht und die Möglichkeit erhalten, bei Dynamo das Fußballspielen auf hohem Niveau zu erlernen.

Ich bin dann mit 19 nach München weitergezogen und habe dort zwölf hervorragende Jahre verbracht. Dadurch ist München auch ein Stück Heimat für mich geworden.

2005 ging es weiter nach Salzburg, dort habe ich meine Frau – eine gebürtige Österreicherin – kennengelernt. Ich habe lange Zeit in Salzburg gelebt, habe dort noch einmal Kinder dazubekommen. Salzburg ist für uns als Familie der Lebensmittelpunkt. Deswegen gibt es viele Orte, denen ich mich sehr verbunden fühle und die auch ein Stück weit zur Heimat geworden sind.

Dennoch ist Dresden meine Heimat, dort habe ich meine Wurzeln. Ich bin ein Sachse, auch wenn man mir das nach all den Jahren im Süden nicht mehr so ganz anhört. (lacht)
 

Alexander Zickler und Willi Orban beim Warm-up vor dem Heimspiel gegen Werder Bremen.

Wie sieht dein Job als Co-Trainer bei RBL aus, worauf liegt dein Augenmerk im Spiel- und Trainingsbetrieb?

Mein Gebiet sind die Standardsituationen – offensiv wie defensiv. Zudem übernehme ich mit Marco Kurth zusammen die Trainingsvorbereitung und führe das Training auch mit durch. Dann kommen Aufgaben in der Nachbetrachtung des Spiels oder das Warm-up vor den Partien dazu.
 

Standards spielen im modernen Fußball eine immer wichtigere Rolle. Wie sieht deine Philosophie in Sachen Standards aus?

In einem Fußballspiel gibt es die sogenannten vier verschiedenen Phasen – mit den Standards ist in den letzten Jahren eine fünfte Phase dazugekommen. Nicht zuletzt seit dem WM-Sieg 2014 der deutschen Mannschaft spielen Standards im Profi-Fußball eine große Rolle und können das Zünglein an der Waage sein, wenn es um Sieg oder Niederlage geht.

In vielen Klubs gibt es Standard-Trainer, die sich hauptsächlich damit beschäftigen. Wenn man sich die Tore und Gegentore in einer Saison ansieht, gibt es in der Bundesliga Teams, die rund 40 Prozent ihrer Tore beim ruhenden Ball erzielen. Genauso gibt es aber Klubs, die ihre Prioritäten auf andere Punkte legen.

Wir versuchen bei RBL, ein gutes Mittelmaß zu finden. In der Sommerpause wird es vermutlich die ein oder andere Möglichkeit mehr geben, verschiedene Variationen einzustudieren, als das während einer Spielzeit realisierbar ist.

Es geht immer darum, gut vorbereitet ins Spiel zu gehen und zu wissen, wie der jeweilige Gegner zu knacken ist – auch über Standardsituationen. Zudem hat uns die Saison gerade auf der defensiven Seite gezeigt, dass wir in jeder Sekunde mit vollem Fokus dabei sein müssen, in jeder Aktion. Sonst wird es auf diesem hohen Niveau schnell bestraft.
 

Marco zeichnet aus, dass es bei ihm immer auf Augenhöhe abläuft, nie von oben herab – egal mit wem.
Alex Zickler über Marco Rose
Ein starkes Team: Alexander Zickler und Marco Rose beim Training von RBL.

Dürfen wir uns also in der kommenden Saison auf Standards à la "Der fallende Thomas Müller" wie bei der WM 2014 beim Achtelfinale des DFB-Teams gegen Algerien freuen?

Standardsituationen sind immer auch ein Stück weit Theater. Du willst den Gegner im Dunklen tappen lassen. Das gegnerische Team muss auf dich reagieren, wenn dir das gut gelingt, dann ist das immer eine Variante, um zum Erfolg zu kommen.

Natürlich war die Variante mit Müller damals schon sehr ausgefallen, ausschließen möchte ich aber nichts.
 

Gibt es bei zwei Marcos im Trainerteam eigentlich Spitznamen, um die beiden voneinander zu unterscheiden?

Die gibt es: Wir haben einen Kurthi, einen Rosi und einen Zico – welcher Spitzname zum wem gehört, lasse ich euch selbst entscheiden. (lacht)
 

Marco Rose und dich prägt ein langer gemeinsamer Weg. Was zeichnet für dich den Trainer Marco Rose aus?

Unser Weg ging 2013 bei Salzburgs U16 los. Seitdem arbeiten wir mit einer kleinen Unterbrechung sehr vertrauensvoll zusammen. Zwischen uns passt es einfach überragend.

Einerseits die zwischenmenschliche Komponente, aber auch unsere inhaltlichen Vorstellungen. Wir hatten schon im Nachwuchsbereich sehr viel Spaß miteinander, konnten tolle Erfolge feiern. Das schweißt zusammen.

Marco zeichnet aus, dass es bei ihm immer auf Augenhöhe abläuft, nie von oben herab – egal mit wem. Es ist ein sehr, sehr angenehmes Arbeiten mit einem Menschen, der einen unglaublich respektvollen Umgang mit jedem pflegt. Dennoch ist er auch sehr ehrgeizig und weiß, was er will. Das gefällt mir sehr gut.
 

Du sprichst es an, ihr habt gleiche Vorstellungen vom Fußball. Wie sehen diese Vorstellungen aus?

Das hohe, intensive Anlaufen aggressives Verteidigen und schneller Umschaltfußball. Das eint uns. Plus der Part, Lösungen im Ballbesitz zu finden. Die Kunst ist es, beides zu vereinen – das Intensive und das Spielerische zusammenzubringen.
 

Er wird uns in Zukunft sehr viel geben. Aber er sollte auch die Zeit bekommen, sich in Ruhe zu entwickeln.
Alex Zickler über Benjamin Sesko

Während deiner aktiven Karriere wurdest du als der gefährlichste Joker der Liga betitelt, hast bei 102 Einwechslungen 18 mal getroffen. Was macht für dich den perfekten Joker aus?

Wenn du als Joker erfolgreich sein möchtest, solltest du dich mental auf diese Rolle einlassen können und den Willen mitbringen, der Mannschaft in jeder Sekunde, in der du auf dem Platz bist, helfen zu wollen.

Vermutlich möchte aber kein Stürmer das Label "Perfekter Joker" an sich haften haben. Jeder Stürmer möchte von Beginn an spielen. Dennoch kann man seine Joker-Qualitäten auch zu seinen Gunsten ausspielen. Wenn du dich durch Kurzeinsätze immer wieder anbietest, kommt das Trainer-Team über kurz oder lang nicht mehr an dir in der Startelf vorbei.

Auch für mich war es aber nie einfach. Dennoch habe ich immer versucht, die Spannung hochzuhalten und alles zu geben, wenn meine Zeit gekommen war.
 

Im Sommer kommt mit Benjamin Sesko ein neuer Mittelstürmer nach Leipzig. Auf welchen Spielertyp dürfen wir uns freuen?

Benjamin ist ein junger Spieler mit einem extremen Potential. Er bringt ein gutes Tempo und eine starke Technik mit. Er hat ein gutes Gespür für die Situationen, steht oft an der richtigen Stelle.

Aber: Seine Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir können ihn ab Sommer noch weiter formen. Gerade was das Spiel gegen den Ball anbelangt, aber auch die ein oder andere Situation mit dem Ball.

Er wird uns in Zukunft sehr viel geben. Aber er sollte auch die Zeit bekommen, sich in Ruhe zu entwickeln. Er wird vielleicht nicht sofort durch die Decke gehen, aber die Voraussetzungen dafür, dass er hier zu einem Topstürmer reift, sind definitiv vorhanden.
 

Das neue Auswärtsjersey von RB Leipzig