Emil Forsberg: Club-Legende, Spielmacher, Strafstoß-Experte, Familienmensch

Der Routinier mit dem gewissen Etwas | Vorlagen-König der Roten Bullen mit 65 Assists | Erzielte das legendäre 1000. RBL-Tor | Schwedens Fußballer des Jahres 2021

Making of: Das Graffiti zum 1000. Pflichtspieltor von RB Leipzig

Benjamin Henrichs hat rechts Platz und spielt flach ins Zentrum an die Strafraumgrenze. Emil Forsberg leitet die Kugel geschickt durch die eigenen Beine zum freien Dominik Szoboszlai. Dieser spielt mit einem Kontakt gefühlvoll in den Strafraum zu Christopher Nkunku, der nach einer Berührung von Nicolas Höfler zu Fall kommt. Strafstoß für RB Leipzig! Und das ist natürlich eine Aufgabe für den Mann, der die Freiburger Defensive zuvor kurz in die Irre führte: Emil Forsberg!

Die Nummer 10 der Roten Bullen ist nämlich ein richtiger Strafstoß-Experte: 31 Mal trat der 31 Jahre alte Schwede vor dem letzten Heimspiel im Jahr 2022 in seiner Karriere zum Elfmeter an, 28 Mal davon traf er ins Schwarze. So auch am 14. Spieltag in der Saison 2022/23: Emil schießt ins rechte Eck und verlädt den sonst über die ganze Partie überragenden Mark Flekken. Der neunte verwandelte Elfmeter der Nummer 10 in Serie war gleichbedeutend mit seinem insgesamt 29. Strafstoß-Tor, Saisontreffer Nummer zwei in der Bundesliga und dem 3:1 im Spitzenspiel für RBL gegen den Sport-Club aus Freiburg. Nach dem Treffer feiert sich der Blondschopf nicht selbst, er rennt zum Seitenrand und umarmt herzlich den am Kreuzband verletzten Péter Gulácsi, der zum Jahresabschluss in der Red Bull Arena nicht fehlen wollte: Friends and Family first.

"Es war wichtig für uns, dass wir vor unseren Fans noch einmal gewinnen in diesem Jahr", sagte Forsberg nach dem 3:1-Tospspiel-Sieg am 14. Spieltag. Durch den Dreier, den sechsten im siebten Heimspiel in dieser Saison, überwintert Leipzig in der Heim-Tabelle der Bundesliga auf dem ersten Platz. Zudem wurde durch den Erfolg gegen einen direkten Konkurrenten um die internationalen Plätze der Anschluss zu den Champions-League-Plätzen hergestellt. "Wir haben lange nach oben geschaut, wir wollen nach oben. Jetzt sind wir dran", freute sich der Routinier, der bereits seit Anfang 2015 die Schuhe für die Roten Bullen schnürt. Er sei zudem stolz auf "die Jungs, wir machen es momentan richtig gut." Die vergangenen zwölf Pflichtspiele hat RB Leipzig wettbewerbsübergreifend nicht mehr verloren. 

Das hat nicht nur, aber auch mit Forsberg zu tun: Der bescheidene Spielmacher, der im mittelschwedischen Sundsvall geboren und aufgewachsen ist, kommt in den vergangenen Wochen wieder vermehrt zum Einsatz: Der Zehner, der am liebsten über die linke Seite kommt und von dort nach innen in die gefährlichen Räume zieht, stand in sechs der zwölf ungeschlagenen Spielen in der Startformation. In 20 von 23 möglichen Spielen kam der schwedische Fußballer des Jahres 2021 in der aktuellen Saison zum Einsatz. Vier Tore und vier Assists steuerte der 31 Jahre alte Offensivspieler in seinen 20 Einsätzen zum Überwintern in der Champions League, zum Weiterkommen im DFB-Pokal sowie zur ordentlichen Liga-Platzierung nach schwierigem Start bei. Fünf seiner acht Scorerpunkte sammelte er in der aktuellen, zwölf Spiele andauernden Serie ohne Niederlage.

Emil ist ja mehr ein Vorbereiter, ein Mann für den letzten Pass.
Leif Forsberg (Emils Vater)

Das Kicken hat der 31-Jährige bei der GIF Sundsvall gelernt. Forsberg ist stark mit dem Club aus seiner Heimatstadt verbunden: Denn bereits sein Opa, Lennart, der im März 2020 im Alter von 92 Jahren verstorben ist, und auch Emils Vater, Leif, waren Profis bei der Gymnastik- och Idrottsföreningen Sundsvall. Alle drei Forsbergs begannen dort ihre Karriere, alle waren bei der ersten Partie für die Profis der GIF 17 Jahre alt. "Emil ist ja mehr ein Vorbereiter, ein Mann für den letzten Pass", beschreibt Leif Forsberg die Nummer 10 von RBL. "Ich war dagegen ein klassischer Torjäger, habe mich meist im Strafraum aufgehalten." 500 Pflichtspiele absolvierte Emils Vater und kam auf fast 200 Tore. Der Club-Legende von Sundsvall wurde 2003 eine große Ehre zu Teil: Sein Trikot, ebenfalls mit der Nummer 10, wurde an der Wand der Haupttribüne der Norrporten Arena angebracht. 

Das Trikot sollte bei einem Heimspiel gegen Helsingborg – ohne, dass Leif dies wusste – dort angebracht werden. "Normalerweise bin ich bei jedem Heimspiel im Stadion. Aber diesmal wollte ich daheimbleiben und mich auskurieren", erzählt Emils Vater, der an diesem Tag 40 Grad Fieber hatte. Doch Emil und seine Mutter Anna redeten immer wieder auf ihn ein, dass er dieses Spiel auf keinen Fall verpassen dürfe. Sauer habe er damals eingelenkt und sei dann erschöpft mit ins Stadion gegangen – um dort komplett von der Aktion überrascht zu werden. "Die Freude war riesig. Ich glaube, das war für ihn wie Geburtstag und Weihnachten an einem Tag", erinnert sich Emil, der damals elf Jahre alt war, zurück.  

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Eines Tages möchte der schnelle und technisch beschlagene Schwede zurückkehren und für Sundsvall in der Norrporten Arena spielen. "Dieses Stadion ist ein ganz besonderer Ort für mich. Hier war der Anfang von allem – der Beginn meiner Fußballkarriere und irgendwie auch der Beginn meines Lebens", sagt Emil. Außerhalb des Stadions ist an der Gegengerade die Wall of Fame – dort sind Bilder von zehn Berühmtheiten der GIF Sundsvall angebracht. Alle drei Forsbergs wurden dort verewigt. Emil, Leif und Lennart. Sie debütierten allesamt im Alter von 17 Jahren und trugen alle die Nummer 10. "Das sind außergewöhnliche Parallelen", sagt Emil. 

Der Spielmacher der Leipziger hat sich in Alnön, dem "Hawaii des Nordens", zusammen mit seiner Frau und Jugendliebe Shanga, die ebenfalls Fußballerin war, ein Haus gebaut. Gut 30 Minuten mit dem Auto sind es von dort nach Sundsvall. 98 Spiele hat der "Mini-Foppa", wie Emil in Anlehnung an seinen Opa ("Foppa") und seinen Vater ("Lill-Foppa") in Schweden auch genannt wird, für GIF Sundsvall bestritten. Mindestens zwei müssen noch dazukommen: Ab 100 Spielen bekommt man als ehemaliger Spieler eine lebenslängliche Dauerkarte. "Ich muss dieses Trikot unbedingt nochmal überstreifen. Zur Not mit 50 Jahren. Am besten soll mich der Coach zwei Mal in der Nachspielzeit einwechseln", witzelt der Jüngste der Forsberg-Fußball-Dynastie.

Leipzig ist für meine Familie und mich unser Zuhause geworden
Emil Forsberg

Doch bis es so weit ist, wird der mit einer wahnsinnigen Spielintelligenz gesegnete Schwede noch mindestens bis zum Sommer 2025 bei RB Leipzig für Furore sorgen. Seinen Vertrag verlängerte der 31 Jahre alte Sympathieträger zuletzt im Sommer 2021. "Leipzig ist für meine Familie und mich unser Zuhause geworden. Wir fühlen uns in dieser tollen Stadt unglaublich wohl." Vor allem die Parks und Seen in der Nähe haben Shanga und er lieb gewonnen. Dort gehen sie immer mit ihrem Hund Roffe, einem Golden Retriever, spazieren. Zudem habe ich vom ersten Tag an die enorme Unterstützung unserer Fans gespürt, auch in Phasen, in denen es nicht so lief. Das war und ist mir sehr wichtig", sagte Emil bei seiner Verlängerung und an seinen Aussagen, wie beispielsweise nach dem 3:1-Sieg gegen Freiburg, ist zu hören, dass er immer die Leipziger Fans im Kopf hat. 

Im Mai gab es – ebenfalls gegen den SC – den bislang größten Leipziger Erfolg zu feiern: Der DFB-Pokalsieg im Berliner Olympiastadion. Mit seinem späten Treffer im Halbfinale gegen Union Berlin trug Forsberg maßgeblich dazu bei, dass die Roten Bullen den ersten Titel in der Vereinsgeschichte erringen konnten. Im Endspiel stand der "Mini-Foppa" in der Startelf und blieb 61 Minuten auf dem Feld. In Zukunft möchte der bescheidene, aber dennoch ehrgeizige Familienmensch bestimmt noch weitere Titel mit RBL bejubeln und mit Leipzig auf der größtmöglichen Bühne im Club-Fußball, der UEFA Champions League, weiter für Furore sorgen. Bei der Weltmeisterschaft in Katar ist er mit Schweden nicht dabei – was der 78-malige Nationalspieler zwar schade findet, "aber ich habe schon eine WM und zwei EMs gespielt." Nach den zahlreichen englischen Wochen will Forsberg einfach nur bei seiner Familie sein: "Ich werde mich schön ausruhen, mich hinlegen und mir die WM mit einem Bierchen in der Hand anschauen." Auch in seiner Winterpause gilt also: Family first.

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