"Der letzte macht die Tür zu"

Jan Schäfer im Interview | Der sportliche Leiter ist für die operative Arbeit von der U8 bis zur U14 zuständig | Im Gespräch äußert er sich zur Nachwuchsarbeit bei RB Leipzig und die Unterschiede in den verschiedenen Jahrgängen

Im Sommer 2019 kam Jan Schäfer vom 1. FC Köln als neuer sportlicher Leiter zu den Roten Bullen nach Leipzig. Sein Verantwortungsbereich umfasst die Mannschaften von der U8 bis zur U14. 

Der gebürtige Berliner erklärt im Interview, was zu seinem Aufgabenbereich gehört und gibt eine Einschätzung über die Entwicklung und Chancen im Jugendbereich.

Wie gestaltet sich dein Arbeitsalltag als sportlicher Leiter der U8 bis U14 bei RB Leipzig?

Ich ziehe gerne den Vergleich mit dem Leiter einer Grundschule heran. Das bedeutet im Klartext, dass mein Job auch aus sehr viel Büroarbeit besteht. Ich beantworte E-Mails, entwerfe Konzepte und Präsentationen und erledige andere administrative Angelegenheiten. Wenn das geschafft ist, bin ich nachmittags auf dem Platz unterwegs, um unsere Jugendmannschaften beim Training und den Spielen zu beobachten. Meine Hauptaufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Teams von U8 bis U14 so spielen und trainieren, wie wir uns das als RB Leipzig vorstellen.

 

Wie hast du die Nachwuchsarbeit bei deinem Amtsantritt im Sommer 2019 vorgefunden und welche neuen Impulse konntest du geben?

Ich habe die Position damals von Winfried Möller übernommen. Er und sein Team haben hier sehr erfolgreiche Arbeit geleistet. Die derzeitigen U16-Spielerinnen und Spieler nehmen bei uns wichtige Rollen ein und wurden gut ausgebildet. Die größte Neuerung, die wir seither vorangetrieben haben, war die vereinheitlichte Übertragung der RBL-Philosophie auf die jüngeren Altersklassen. Das heißt, dass wir die Einstellung, die unsere Profimannschaft vorlebt, nun auch im Nachwuchsbereich stärker vermitteln, denn bisher war das oft vom einzelnen Trainer abhängig.  Je niedriger man kommt, desto weniger streng und eng gefasst ist die Philosophie, aber sie ist überall erkennbar. Um das umzusetzen, musste natürlich auch das Training angepasst werden. Daher haben wir uns verschiedene Trainingsbausteine überlegt und diese im letzten Sommer unter Federführung von Paul Klein, Nachwuchskoordinator U8 bis U11, in passende Übungsformen integriert.

 

Das heißt, sogar die ganz jungen Spielerinnen und Spieler kennen schon Begriffe wie "Gegenpressing"?

Indirekt, ja. Wir geben diesen Kommandos andere Bezeichnungen. "Pressing" beispielsweise bezeichnen wir als "Balljagen“. Solche altersgerechten Vereinfachungen gib es auch für andere taktische Anweisungen. Den Gegner zu erwarten und auf dem Sprung zu sein, wird bei uns „Klapperschlange“ genannt und "Restverteidigung" heißt bei uns „Tür zu“ - das heißt, dass der letzte Spieler oder die letzte Spielerin absichert. 

Die größte Neuerung war die Übertragung der RBL-Philosophie auf die jüngeren Altersklassen
Jan Schäfer

Wie unterscheiden sich die Trainingspläne der unteren mit denen der höheren Jahrgänge?

Von der U8 bis zur U11 arbeiten wir im Grundlagenbereich. Hier werden den Kindern der Umgang mit dem Ball und Technik beigebracht. Trockene Passübungen beispielsweise fehlen hier noch im Trainingsplan. Die Übungen werden dabei in kleinen Spielformen absolviert, also in "Zwei gegen zwei"- oder "Drei gegen drei"-Situationen. Hier sollen die Spielerinnen und Spieler eine gewisse Bolzplatzmentalität ausleben, bei der es hauptsächlich darum geht, Spaß am Spiel zu haben. Anfangs haben Erfolgserlebnisse und der Spaß für die Kleinen die höchste Priorität. Im Aufbaubereich von der U12 bis zur U14 bereiten wir die Spielerinnen und Spieler dann auf den Großfeldfußball vor, wie wir ihn von den Profis kennen. Taktik und einzelne Abläufe, wie das Anlaufen an der richtigen Stelle, rücken mehr in den Fokus, doch der Ball und das Spiel mit dem Ball stehen nach wie vor im Mittelpunkt. 

 

Nach der U11 bewertet ihr, wer für eine fortlaufende Ausbildung in der RBL-Akademie infrage kommt. Wie vermittelt man einem Kind, dass es möglicherweise nicht für die U12 reicht?

Da wir von der U8 bis zur U11 niemanden mehr aussortieren, ist der Aspekt neu für die Eltern. Wir gehen das Thema dann grundsätzlich ganz offen und transparent an und beziehen von Anfang an Kinder und Eltern mit ein. In unserer Elternwoche haben wir einen Workshop, der sich nur um dieses Thema dreht. Wir versuchen, dieses Thema in den Jahrgängen immer aktuell zu halten. Am wichtigsten ist mir, dass wir über einen langen Zeitraum alles besprechen und auch die Eltern informieren. In dieser Absprache schlagen wir dann gegebenenfalls den Wechsel zu einem anderen Verein vor. Dieser Vorstoß kommt aber auch häufig von den Eltern selbst. In einem anderen Umfeld kann sich das Kind als Kapitän oder Stammspieler vielleicht besser entwickeln. Wir suchen dann das Gespräch mit anderen Vereinen, tauschen uns mit Trainern aus und bleiben mit den Eltern in Kontakt. 

Gab es schon Spielerinnen und Spieler, die den Schritt zurück in die RBL-Jugendmannschaften geschafft haben?

Ja, diese Fälle gibt es. Leon Koß aus der U16 war beispielsweise vor meiner Zeit schon einmal bei RB Leipzig. Auch Lenny Franke aus der U14 hat ebenfalls schon in der U8 bei uns gekickt und kam später erneut dazu. Das zeigt, dass es Beispiele gibt, bei denen es der Entwicklung der Kinder geholfen hat, eine gewisse Zeit aus dem Akademiebetrieb herausgekommen zu sein.

 

Gibt es einen Punkt in der Entwicklung der Spieler, ab dem die Position auf dem Spielfeld absehbar ist?

Wir reden immer von Menschen, die alle individuell sind. Manchmal sind die Entwicklungsschritte nicht linear, deshalb kann man das pauschal nicht festlegen. Wenn Spielerinnen und Spieler in den Profibereich kommen, landen sie in den seltensten Fällen auf der Position, die sie im Jugendbereich gespielt haben. Häufig weicht man dann auf Außenpositionen aus, auf denen im Spiel grundsätzlich weniger passieren kann. Dennoch versuchen wir ab der U14 eine Idee zu entwickeln, in welche Richtung es gehen kann.

Wir reden immer von Menschen, die alle individuell sind
Jan Schäfer

Zuletzt gab es einige Anpassungen bei den Wettbewerbsformen. Eine davon ist die „Fairplay-Liga“. Wie nehmen die Kinder die Rolle der neugewonnenen Eigenverantwortung an? 

Die Situation kann man recht gut mit dem Fußballspiel auf dem Bolzplatz vergleichen. Dort schaffen es die Kinder auch, sich selbst zu organisieren und Regeln aufzustellen. Ansonsten kommt es in der Wettbewerbsform immer auf die Trainerinnen und Trainer an, die die Entscheidungen zwischen den Spielerinnen und Spielern moderieren. Eine übermotivierte Person an der Seitenlinie kann da schon eher schädlich sein. Wichtig ist, dass man mit den Kindern sachlich umgeht und sie den Gedanken selbst entwickeln, warum nun eine Entscheidung zu ihren Gunsten oder gegen sie gefällt wurde.

 

Über welche Reformen sollte in der Nachwuchsarbeit für die Entwicklung der Kinder diskutiert werden?

Meiner Meinung nach wären bei den ganz Jungen noch kleinere Spielformen sinnvoll, beispielsweise „Eins gegen Eins“- oder „Zwei gegen Zwei“-Wettkämpfe. Die Spielfelder sollten dazu möglichst klein sein - geschossen wird auf Minitore. Kinder in einem frühen Entwicklungsstadium sind sehr ballorientiert und oftmals geht es nur darum, etwas mit dem Ball anzustellen. Daher wären hier reduzierte Spielformen ohne Fokus auf Passspiel oder Spielzüge der richtige Ansatz. Dieser Themenkomplex kommt dann erst später dazu. Die Ergebnisse dieser Wettbewerbsformen müssen auch nicht zwingend veröffentlicht werden, da die Kleinsten in der Kabine sich schon gar nicht mehr mit Sieg oder Niederlage beschäftigen. Da ist man dann wieder beim Bolzplatz - dort habe ich bisher auch noch niemanden gesehen, der am Ende die Ergebnisse und eine Tabelle aufgeschrieben hat.  

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